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Die Abkürzung V.S.O.P. steht bei Weinbrand, Cognac, etc. für very special old pale und ist eine Altersprädikatbezeichnung. Da diese Seite aber der Astronomie verschrieben ist, komme ich zu einer anderen Deutung dieser Abkürzung. Das VSOP, welches ich in diesem Zusammenhang meine, steht für Variations Séculaires des Orbites Planétaires und meint eine mathematische Beschreibung der Planetenpositionen.
Im Jahre 1982 hat Pierre Bretagon diese Berechnung für die Planetenpositionen veröffentlicht. Diese Rechenmethode beschreibt die Positionen der Planeten Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun mit einer recht hohen Genauigkeit. Wegen dieser Genauigkeit können keine einfachen Ellipsenbahnen der Planeten angenommen werden (welche mit sechs Bahnelementen beschrieben werden), vielmehr werden die Bahnelemente als variabel angesehen und tragen damit den Störungsfaktoren Rechnung.
Fünf Jahre später hat dann Pierre Bretagnon und G. Francou eine Weiterentwicklung veröffentlicht. Diese Berechnung liefert direkt heliozentrische Koodinaten (Sonne ist der Bezugspunkt), wobei die Genauigkeit durch die Anzahl der berücksichtigten Terme selbst bestimmt werden kann.
Kurz darauf wurde von Pierre Bretagnon und Xavier Moisson im Jahr 2000 eine um den Faktor 10..100 genauere Rechenmethode veröffentlicht.
Die letzte veröffentlichte Methode ist die aus dem Jahre 2002. Diese Berechnung berücksichtigt auch noch relativistische Effekte, wodurch die Genauigkeit nochmal un den Faktor 10 verbessert werden konnte. Nachteil ist aber, das darin einige Schwächen in der Positionsberechnung für die Planeten Uranus und Neptun enthalten sind. Diese Methode ist unvollendet...
Ich beziehe mich in diesem Artikel mal auf die recht bekannte VSOP-87b.
Im einfachsten Fall wird - wie Kepler schon beschrieben hatte - die Planetenbahn als Ellipse angesehen. Die daraus resultierenden Berechnungen hab ich in den Artikeln Ellipse und Kometenbahn zusammengefaßt.
Die VSOP berechnet die Positionen durch Potenzreihen (oder auch Polynome). Eine Potenzreihe ist - allgemein gesagt - eine unendliche Reihe der Form:
Das heißt nix anderes, als das immer gleich aussehende Terme
oderaufsummiert werden. Diese Terme haben je eine Konstante Ck und einen Exponenten k. Das k ist eine ganze Zahl (0, 1, 2, 3, ...).
Mit etwas Umformung und den Regeln a0=1 und a1=a kommt man dann zu einem Ausdruck wie z.B.:
Da die Summe unendlich viele Summanden hat und Unendlich eine dumme Zahl ist, werden meist nicht so sehr viele Summanden benutzt. Damit geht die Summe nicht bis Unendlich, sondern hat eine natürliche Obergrenze (und ist damit keine wirkliche Potenzreihe, sondern ein Polynom). Diese wenigen benutzten Summanden reichen aber i.d.R. schon aus, um auf ein recht genaues Ergebnis zu kommen. Es sollte aber jedem klar sein, das es sich hierbei nur um Näherungen handelt, von exakten Werten ist nicht die Rede.
Insgesamt gibt es sechs Sätze von Positionsberechnungen, die verschiedene Bezugspunkte haben. Diese Bezugspunkte sind:
Bei der VSOP-87b werden drei Potenzreihen/Polynome angegeben, um die Planetenpositionen zu berechnen. Diese Potenzreihen/Polynome beschreiben im einzelnen:
In der VSOP-87b sind werden die Potenzreihen/Polynome bis max. k=5 benutzt. Also gibt es - je nach Bezugspunkt - drei Formeln (für Länge, Breite und Entfernung):
Die einzelnen Koeffizienten Ck sind selbst wiederum Summen, die entweder in der Form:
oder in der Form:
beschrieben werden.
Im weiteren beziehe ich mich mal auf die zweite Form. Das heißt, das die sechs Koeffizienten (k=0..5) aus Summen mit A*cos(B+CT) berechnet werden. Diese einzelnen Summanden haben also weitere Koeffizienten An, Bn und Cn, wobei die Anzah n der Summanden variiert. Und genau diese Koeffizienten können z.B. bei VizieR (siehe Links) heruntergeladen werden.
Diese Cosinus-Spielerei zeigt eindeutig, das diese Koeffizienten durch eine Fourier-Analyse gewonnen wurden. Dabei nimmt man am einfachsten die beobachteten Bahnelemente und rechnet dann über die Fourier-Analyse die dann genäherten Bahndaten rückwärts aus.
Die Einheit der drei Koeffizienten An, Bn und Cn kann man auch ganz leicht bestimmen/festlegen. An wird in AU/(tjyk) angegeben. Bn wird in rad (also Winkel im 2-pi Maß) angegeben. Cn wird in rad/tly angegeben.
Wie schon gesehen, werden die Koeffizienten der Potenzreihe mit Tk multipliziert. Das T stellt die Zeit dar, welche in julianischen Jahrtausenden seit der Standardepoche J2000.0 (= julianisch 2451545,0; = 1. Januar 2000, 12:00h UT) angegeben wird.
Die Summen dieser Koeffizienten sind selbst auch zeitabhängig (siehe cos B+CT). Damit können die Bahndaten nicht im voraus berechnet werden, um ausgehend von diesen Werten die nächsten Werte zu berechnen, man muß also immer alle Koeffizienten für einen gegebenen Zeitpunkt explizit berechnen und kann daraus die Position über Transformationen bestimmen.
Nun ja, das hört sich erst mal etwas kompliziert an, ist es aber nicht. Letztendlich werden ganz viele Summen aus Cosinus-Produkten berechnet. Diese Summen kann man einfach in eine For-Schleife zusammenfassen, so das der eigentliche Umsetzung des Algorithmus in ein Stück Quelltext recht kurz ausfallen wird. Diese Summen werden dann irgendwie mit der Zeit multipliziert und das gesuchte Ergebnis ist da.
Die Leistung des Algorithmus, die Pierre Bretagnon et al. veröffentlich hat, liegt in der Festlegung der Koeffizienten der Berechnung. Bei der Genauigkeit kann man im Bereich von Bogensekunden ausgehen. Die Berechnung selbst ist, wenn die Koeffizienten vorliegen, reine Fleißarbeit, die auch mit einem Taschenrechner erledigt werden könnte.
Zum Verständnis der Berechnungen ein kleines Beispiel. Im Moment ist Jupiter als dominierender Himmelskörper in Südrichtung zu bewundern. Aber wo genau befindet sich Jupiter am 1. November 2010 um 23:17 Uhr (MEZ)? Die krumme Uhrzeit hat keine weitere Bedeutung... Vorgeführt werden nur mal die Berechnungen mit den ersten Koeffizienten, die komplette Berechnung kann jeder selbst im stillen Kämmerlein durchführen.
Zuerst bestimme ich das Julianische Datum: JD = 2455502.42847222 (=1. November 2010, 22:17 Uhr UT). Diese Bestimmung kann z.B. bei Parallax.at durchgeführt werden. Mit diesem Wert bestimme ich die Zeit T, die in der weiteren Berechnung benötigt wird. Es ist ja die Jahrtausende seit J2000.0. Also T = (JD - 2451545,0) / 365250 = 0.01083484866.
Als nächstes berechne ich die Länge von Jupiter. Diese Länge setzt sich aus fünf Termen in der Form CkTk zusammen, wozu die einzelnen Koeffizienten Ck erst bestimmt werden müssen. Diese Koeffizienten setzen sich wiederum aus Termen der Form Ancos(Bn+Cn*T) zusammen.
Für C0 sind die ersten Koeffizienten (und bei weitem noch nicht alle) An, Bn und Cn aus den Daten (siehe Links, VizieR):
n | An | Bn | Cn |
---|---|---|---|
0 | 0.59954691494 | 0.00000000000 | 0.00000000000 |
1 | 0.09695898719 | 5.06191793158 | 529.69096509460 |
2 | 0.00573610142 | 1.44406205629 | 7.11354700080 |
3 | 0.00306389205 | 5.41734730184 | 1059.38193018920 |
4 | 0.00097178296 | 4.14264726552 | 632.78373931320 |
5 | 0.00072903078 | 3.64042916389 | 522.57741809380 |
6 | 0.00064263975 | 3.41145165351 | 103.09277421860 |
7 | 0.00039806064 | 2.29376740788 | 419.48464387520 |
Damit rechnet man also:
Wie schon oben erwähnt, kann man die Anzahl der Summanden selbst festlegen (je nach gewünschter Genauigkeit). Und genau so geht man für die einzelnen Koeffizienten für die Länge, die Breite und die Entfernung vor, bis man alle Koeffizienten berechnet hat und das Endergebnis feststeht.
Damit kommt man dann zu allen Koeffizienten für die drei Ergebnisdaten Länge, Breite und Entfernung. Ausgerechnet ergibt sich dann also:
* | C0 | C1 | C2 | C3 | C4 | C5 |
---|---|---|---|---|---|---|
Länge | 0.57942831872859013 | 529.688946827765 | -0.00052796259239897589 | -0.000059312489286181033 | 0.0000049792333602313336 | 0.00000045964197669318405 |
Breite | -0.022511782035083829 | 0.00045321397195114229 | -0.00003975821394429477 | -0.00000034562747175519111 | 0.000000038534623222029288 | 0.000000000060436531618637673 |
Entfernung | 4.953905937532455 | -0.0067994838743097412 | 0.00051609252786890463 | 0.000040808043598982653 | -0.00000012140612006471015 | -0.000000087573101866004 |
Mit der Angabe des Datums und Umrechung in das julianische Jahrtausend ergab sich T=0.01083484866. Daraus ergeben sich die folgenden T-Ausdrücke zu:
Ausdruck | Wert |
---|---|
T0 | 1 |
T1 | 0.01083484866 |
T2 | 0.00011739394543496931 |
T3 | 0.0000012719456321165905 |
T4 | 0.00000001378133842478855 |
T5 | 0.00000000014931871613294255 |
Das sind nun alle Werte, die zur Berechnung benötigt werden. Als Ergebnis sollte dann:
Koordinate | Wert |
---|---|
Länge | 6.3185278312017505 |
Breite | -0.022506876198100878 |
Entfernung | 4.953832326791769 |
Das Ergebnis der Berechnung ist dann die Position von Jupiter zum Zeitpunkt 1. November 2010, 23:17 Uhr (MEZ) in heliozentrischen, sphärischen Koordinaten. Diese Koordinaten werden dann über einfache Transformationen in die für den Beobachter gebräuchliche Koordinaten (ra/dec oder l/h) überführt.
Wenn ich mich nun nicht verrechnet habe, dann sollte Jupiter auf der Position RA=23h 39m 42s und DEC=-3° 50' 54" zu finden sein.
Stand: 1. November 2010